Finger weg von meiner Paranoia
Hier möchte ich euch zeigen, was die psychiatrische Diagnose mit mir gemacht hat und wie ich heute damit umgehe. Es ist im Grunde genommen ein Trauerprozess zu mir selber.
In meiner Geschichte geht es um Emotionen wie Angst, Wut, Scham, Verzweiflung. Ausserdem kommen darin Kämpfe vor, Kämpfe um meine eigene Akzeptanz von mir selber. Weiter spielen mit: Verständnis, Sinnsuche, Kreativität, Genuss und Freude.
Ich habe euch ja schon einmal erzählt, wie verängstigt und verzweifelt ich damals bei meiner ersten Psychose mit 19 und dem ersten Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik und der Diagnose Schizophrenie war.
Ziemlich genau 9 Jahre später musste ich mir eingestehen, dass die Psychose wieder da war und ich wieder psychiatrische Behandlung brauchte. Das war besonders schmerzhaft, da ich somit wusste, dass ich nicht mehr zu den 30 % gehörte, welche nur eine einmalige Psychose haben. Ich war also tatsächlich nun schizophren mit gerade 28 Jahren. Und alle waren überzeugt, dass ich jetzt den Schutz einer psychiatrischen Klinik brauchte.
Wovor genau ich geschützt werden musste, verstehe ich nicht. Und die Art, wie man mich schützen wollte, mit dem mehr oder weniger sanften Zwang, Medikamente zu nehmen als einzige Möglichkeit sowie die entwürdigende Zeit im Isolationszimmer. Allein mit mir selber ohne irgend eine Beschäftigung, rund um die Uhr überwacht. Meine Emotionen waren anscheinend so beängstigend, dass man mich ruhig stellen musste. Zu meinem Schutz, versteht sich. Da kann niemand etwas dafür. Vielleicht war es ja auch nur ein Traum. Meine Wahrnehmung war ja ziemlich verzerrt. Zum Glück wissen das die Fachpersonen und nehmen es mir nicht so übel.
In den letzten sieben Jahren und weiteren Psychosen habe ich viel über mich und die Psychiatrie gelernt. Im letzten Jahr habe ich erstmals schöne Aspekte meiner Psychosen kennengelernt und wundervolle Dinge erlebt als ich eine Krise zu Hause erleben durfte. Es stellte sich heraus, dass ich auch ohne Klinik tatsächlich genügend Schutz hatte und ich war sehr oft in der Natur unterwegs bei stundenlangen Waldspaziergängen. Ich habe übrigens damit niemandem geschadet obwohl ich eindeutig psychotisch war.
Ich glaube, ich war schon immer sehr kritisch und habe vieles hinterfragt. Das kann schon unbequem sein für Menschen, die ihre Autorität gerne ausleben. Ich habe mich unter anderem mit Fachliteratur zu Psychosen und Psychopharmaka beschäftigt. Spannend ist ja, dass es kaum Fakten gibt über die Reduktion und das Absetzen von Neuroleptika.
Ein sehr kritischer Gedanke, könnte die Antwort darauf - wie auf viele Fragen - einfach wieder einmal das Geld sein? Aber nicht doch, unsere Gesundheitsindustrie -pardon- Gesundheitssystem will doch nur das beste für uns. Wir können doch froh sein, dass so viel geforscht wird und jedes Jahr ein ganz neues Medikament herauskommt, welches noch viel besser ist als alles, was es vorher gab. Auch wenn es noch keine Studien über die langfristigen Nebenwirkungen gibt, man muss doch das Neuste vom Neusten probieren, das wird bestimmt endlich alle Probleme lösen. Oder vielleicht noch ein zweites Medikament gegen die Nebenwirkungen. Und eins zum schlafen. Vielleicht etwas aufputschendes, wenn man nur noch wie ein Zombie herumläuft oder den ganzen Tag schlafend sein Kissen vollsabbert. Und etwas zur Reserve. Benzos machen ja schon abhängig, das stimmt, aber sie sind doch auch sehr hilfreich. Und die Ärzte wissen da sicher, was das beste für die Patienten ist. Bitte nicht diskutieren, denn die haben furchtbar viel zu tun. Die Bürokratie, wisst ihr, die Politik. Wir haben doch keine Zeit.
Interessant finde ich, wieso so viele Menschen so viel Angst und Vorurteile mit der Diagnose Schizophrenie verbinden. Meiner Meinung nach gibt es einen Zusammenhang mit der Berichterstattung in Medien. Wen würde die Schlagzeile interessieren "schizophrene Frau um die dreissig ohne Migrationshintergrund auf frischer Tat ertappt wie sie im Wald mit Tieren spricht" denn schon interessieren?
Ich bin nicht nur im negativen Sinn sehr kritisch, ich habe auch ganz viele Fragen an das Leben und denke gerne nach über Gott und die Welt.